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Vermittler müssen auch über Nachteile der PKV aufklären

Vermittler müssen auch über Nachteile der PKV aufklären

In einem Urteil vom 24. Juni 2015 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm folgendes: Empfehlen Versicherungsvermittler Kunden einen Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenkasse, sind sie künftig dazu verpflichtet über mögliche Nachteile aufzuklären. Fällt eine Beratung lückenhaft aus, kann der Versicherte Schadensersatz verlangen.

Wer zu einer privaten Krankenversicherung wechselt, erwartet Vorteile. So sind beispielsweise kürzere Wartezeiten auf Facharzttermine, Zweibettzimmer im Krankenhaus oder Chefarztbehandlung nur einige Aspekte, die einem Privatpatienten zu Gute kommen. Neben etlichen Vorteilen kann eine private Versicherung aber vor allem in finanzieller Hinsicht auch Nachteile haben. So können zum Beispiel je nach Tarif die Beiträge im Alter stark steigen. Das OLG Hamm urteilte nun in einem Rechtsstreit zu Gunsten des Klägers und entschied, dass Versicherungsvermittler verpflichtet sind, den Interessenten umfassend über eventuelle Nachteile einer privaten Krankenversicherung zu informieren.

In dem konkreten Fall hatte der zum Zeitpunkt der Geschehnisse 56-jährige Kläger sich an seine Sparkasse gewandt, weil er sich für eine bessere Altersvorsorge beraten lassen wollte. Sein ganzes Leben war der Mann gesetzlich versichert gewesen und signalisierte im Gespräch mit dem Versicherungsvermittler auch Interesse an einer Zusatzversicherung zu seiner gesetzlichen Vorsorge. Empfohlen wurde dem Mann in dem Gespräch ein Wechsel in die private Krankenvollversicherung. Für den Mann jedoch entwickelte sich diese Empfehlung zu keiner besonders guten. Der PKV-Tarif entpuppte sich für den Versicherungsnehmer als Schuldenfalle, er konnte die steigenden Beiträge nicht mehr bezahlen. Ein Wechsel zurück zu einer Krankenkasse war nicht mehr möglich.

Altersrückstellungen deutlicher Beitragssprünge im Alter entstehen würden, erfuhr der Kunde nicht. Die Beratungsdokumentation der Beraterin wies darüber hinaus deutliche Lücken auf. Das OLG Hamm entschied in dem Fall, dass eine solche Vorgehensweise nicht rechtens sein kann und der Kunde auch über mögliche Nachteile des Tarifs informiert werden muss. Aus diesem Grund müssen die Sparkasse und die PKV des Klägers den Mann nun so stellen, als wäre er in der gesetzlichen Krankenkasse verblieben. "Das wirkt sich vor allen Dingen bei Beginn seiner Rente aus, weil der Beitrag nun einkommensabhängig berechnet werden muss und sich dann deutlich verringert", berichtet die Kanzlei, die das Urteil für den Mann erstritten hat. Allerdings ist der Richterspruch noch nicht rechtskräftig.

Auch der Bundesgerichtshof tendiert mit bisherigen Entscheidungen in dieselbe Richtung. Dort gilt, dass es bei mangelhafter, gesetzlich vorgeschriebener Dokumentation zu einer Beweisumkehrlast kommt. Das heißt, dass der Versicherer oder Vertreter bei nachweislich mangelnder Dokumentation derjenige ist, dem die Beweislast zukommt. Hier gilt: Der Beratungsdokumentation soll der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Im Fall des nun erstrittenen Urteils war dies auf eklatante Weise nicht der Fall. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, welcher für den Kunden das Urteil erkämpft hat, äußert ergänzend: "Das Urteil zeigt auch die Risiken auf, denen sich private Versicherungsgesellschaften teilweise aussetzen. Nämlich, wenn sie sich für den Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte großer, eher ungeschulter Organisationsformen als gebundene Vertreter bedienen. Das sind oft mangelhafte Strukturen, bis hin zur nicht vorhandenen Qualifikation. Egal, ob es – wie hier – eine Sparkasse ist, oder anderweitig vielleicht gesetzliche Krankenversicherungen oder Handelsriesen. Die Fehler im Gespräch mit dem Kunden muss sich dann auch die private Versicherungsgesellschaft zurechnen lassen."

Artikel eingestellt am in der Rubrik Ihr gutes Recht.

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