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Scheitert die GroKo am Thema Bürgerversicherung?

Private Krankenversicherung

Die SPD will die Bürgerversicherung und das Ende der privaten Krankenversicherung, die CDU/CSU lehnt dies nach wie vor vehement ab. Ist das Gesundheitswesen der entscheidende Hinderungsgrund einer erneuten GroKo?

Die SPD empfindet die vermeintliche Zweiklassengesellschaft in der Medizin als soziale Ungerechtigkeit und hat damit sogar die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, was allerdings angesichts der ​überwiegen​ gesetzlich ​versichert​en Bevölkerung auch nicht weiter verwunderlich ist.

Tatsächlich fanden die Grünen im April dieses Jahres mit Testanrufen heraus, dass gesetzlich Versicherte durchschnittlich 27​ Tage​ länger auf einen Facharzttermin warten müssen als Privatpatienten. Das scheint eine schreiende Ungerechtigkeit zu sein und deshalb fordert die SPD schon seit Jahren mit dieser Ungleichbehandlung ein für alle mal ​Schluss zu machen. Ob es letztlich besser ist wenn in Zukunft alle Versicherten eine schlechtere Behandlung erfahren oder längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen lässt die SPD offen. Der Wegfall der Privatversicherung verbessert ja nicht automatisch die Versorgung der gesetzlich Versicherten. Zu bedenken ist auch, dass die Privaten Krankenversicherer möglicherweise Krankenzusatzversicherungen auf den Markt bringen werden, die dann genau diese Lücke schließen zwischen den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der jetzigen Privatversicherung. Wer sich das leiste​t, ist dann ​doch ​wieder besser versichert​​. Auch heute schon genießt, wer es sich leisten kann, durch Krankenzusatzversicherungen Privilegien. Die Zahnzusatzversicherung zahlt besseren Zahnersatz die stationäre Zusatzversicherung die Chefarzt-Behandlung und das Einzelzimmer. Der Gesetzgeber müsst also konsequenterweise auch solche Krankenzusatztarife verbieten, wenn er es mit der Gleichbehandlung ernst meint.

Gegenwind

Für ihre Forderung hat die SPD möglicherweise die Mehrheit der Deutschen hinter sich, dafür bekommt sie aber von vielen anderen Stellen mächtig Gegenwind, nicht nur von der Union. Regelrecht Sturm laufen ​beispielsweise die Ärztevertreter. Sie verweisen immer wieder darauf, dass nur ​die ​Privatversicherung überhaupt teure Forschung und Behandlungsmethoden ermöglicht, was am Ende allen Versicherten zugute kommt. Auch der Beamtenbund spricht sich klar gegen die Bürgerversicherung aus und will gegen jeden Versuch der Einführung aktiv angehen. Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach sieht sogar "die Funktionsfähigkeit unseres Staatswesens" gefährdet, deren "Rückgrat nun einmal die Beamten mit ihrem besonderen und entsprechend alimentierten Pflicht- und Treueverhältnis sind".

Mögliche Sondierungsgespräche rücken das Thema wieder in den Mittelpunkt

Die SPD meint aufgrund des Vertrauensbruchs mit der einsamen Entscheidung zum Thema Glyphosat etwas gut zu haben bei möglichen Koalitionsverhandlungen und es könnte durchaus sein, dass die SPD dies zum Anlass nimmt die Bürgerversicherung durchsetzen zu wollen. Das Thema wird also wieder hochaktuell.

Was würde die Bürgerversicherung konkret bedeuten?

​Z​unächst einmal würde die Bürgerversicherung für bereits privat versicherte Personen keine konkrete Auswirkung haben. Rechtlich ist es nämlich gar nicht möglich Privatpatienten zu zwingen ihre Versicherung zu Gunsten einer Bürgerversicherung aufzugeben. Der Übergang wäre also schleichend, weil nur Menschen, die sich neu versichern müssen, die ​bestimmte ​Einkommensgrenze überschreiten​, die Beamte oder Abgeordnete werden oder die sich selbständig machen,​ dann​ keine Wahl mehr hätten. Dieser Prozess dürfte Jahrzehnte dauern. So lange muss es zwingend weiterhin Privatpatienten geben und natürlich auch weiterhin eine eigene Gebührenordnung für diese.

Wie genau so eine Bürgerversicherung aussehen kann ist sowieso noch völlig offen. Derzeit gibt es mehrere Konzepte, die mitunter prägnant voneinander abweichen. Es dürfte, würde eine grundsätzliche Entscheidung für die Bürgerversicherung fallen, also noch ein schweißtreibender und entsprechend langer Weg werden bis überhaupt das konkrete Konzept erst einmal steht. Sicher ist aber, dass es eine Vereinheitlichung der Gebührenordnung geben soll sowie eine Vereinheitlichung der Beitragsbemessung. Letzte würde sich am derzeitigen System der GKV orientieren, die den Beitrag nach dem Einkommen bemisst und ​bei der ​Alter und Gesundheitszustand des Versicherten keine Rolle spielen. Ob die Beiträg​e​ dadurch ​am Ende im Durchschnitt steigen oder fallen würden ist ​völlig ​offen. Das wäre dann wohl auch abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Versicherung.

Genau​ ​so offen sind Fragen wie ob es weiterhin ein Höchsteinkommen geben soll von dem Beiträge erhoben werden oder ob die Beiträge auch auf Zinsen und Mieten erhoben werden. Und wie sieht es mit Wechselwilligen aus? Zu welchen Bedingungen dürften Privatversicherte in die Bürgerversicherung wechseln?

Eine weitere spannende Frage ist wie ein Kompromiss aussehen könnte? Etwa eine Vereinheitlichung der Gebührenordnung ohne einheitliche Versicherung? Sicher ist, alles was am Ende nicht "Bürgerversicherung" heißt, wäre für die SPD ​wohl ein Gesichtsverlust und damit​ aus​ ihrer Sicht kaum ein diskutabler Kompromiss.

Artikel eingestellt am in der Rubrik Gesetzliche Versicherungen.

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