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Leben – oder
sterben lassen! Das war das Thema in einem aktuellen Rechtsstreit!
In einem anhängigen Verfahren hob nunmehr der
Bundesgerichtshof (BGH) eine Verurteilung eines Fachanwalts
für Medizinrecht auf und sprach ihn frei.
Dieser hatte seiner Mandantin geraten den Schlauch der PEG-Sonde der
Mutter, welche im Pflegeheim untergebracht war, unmittelbar
über der Bauchdecke zu durchtrennen. Dies sollte der Mutter
der Mandantin ermöglichen, in Würde zu sterben.
Mit Unterstützung ihres Bruders schnitt die Mandantin den
Schlauch durch. Nachdem die Heimleitung dies entdeckt hatte, wurde die
Mutter auf Anordnung eines Staatsanwaltes in ein Krankenhaus gebracht,
wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt wurde. Allerdings starb sie dort zwei
Wochen später eines natürlichen Todes aufgrund ihrer
Erkrankungen.
Das Landgericht Fulda, welches im Nachgang über den
Sachverhalt entscheiden musste, hatte das Handeln des Anwalts als einen
gemeinschaftlich mit der Tochter der Verstorbenen begangenen versuchten
Totschlag durch aktives Tun gewürdigt und beide verurteilt.
Der hierfür zuständige 2. Senat des BGH hat nunmehr
das Urteil aufgehoben und die Angeklagten freigesprochen.
Der freigesprochene Anwalt sagte, das Urteil sei ein „Sieg für
die Patientenrechte in Deutschland“. Hierfür habe er
lebenslang gekämpft.
Auch der Präsident der Bundesärztekammer
(BÄK) , Jörg-Dietrich Hoppe,
begrüßte das BGH Urteil. Insbesondere machte er
deutlich, dass es mit den Grundsätzen der
Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung voll
übereinstimmt. Denn auch hier ist dem Patientenwillen oberste
Beachtung zu schenken.
Inwieweit der Arzt dann auch bereit ist, weiterhin den Patienten zu
betreuen, falls dieser etwas von ihm wünscht, was er mit
seinem Gewissen nicht vereinbaren kann – müsse der
Arzt dann selbst entscheiden, so Hoppe.
Ebenfalls begrüßt wurde die Unterscheidung und die
Auffassung des BGH, dass zwischen Tötung auf Verlangen und
Sterbenlassen eines sich im Endstadiums des Lebens befindenden
Patienten ein Unterschied besteht.
Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
empfand die Entscheidung des BGH als gut. So schaffe die heutige
Entscheidung Rechtssicherheit bei einer grundlegenden Frage im
Spannungsfeld zwischen zulässiger passiver und verbotener
aktiver Sterbehilfe.
Kritisch hingegen äußerte sich der
Geschäftsführende Vorstand, Eugen Brysch, der
Deutschen Hospiz Stiftung. Er mahnte, dass man sich im Klaren
darüber sein sollte, dass nicht alles, was straflos bleibt,
auch zwingend geboten ist. Insbesondere sende das Urteil eventuell ein
fatales Signal aus, dass dem Grundrecht Schwerstkranker auf
Selbstbestimmung und Fürsorge nicht gerecht werde.
Selbst der Marburger Bund sprach eine Warnung aus. Das Urteil des BGH
solle nicht zum Anlass genommen werden, nun eigenmächtig zu
Handeln. Der Freispruch für den Rechtsanwalt stelle keinen
Freibrief für eigenmächtiges Vorgehen bei der
Entscheidung über die Fortsetzung von lebenserhaltenden
Maßnahmen dar.
Klargestellt wurde durch den BGH, nach Auffassung des Marburger Bundes,
lediglich die geltende Rechtslage. Nach dieser kommt es nun einzig und
allein auf den Willen des Patienten an, ob ärztliche
Maßnahmen beendet werden können.
Sofern es keine schriftliche Patientenverfügung gebe, seien
die Behandlungswünsche oder der mutmaßliche Wille
des Patienten anhand konkreter Anhaltspunkte für die
Entscheidung maßgeblich.
Auch die katholische Kirche fürchtet eine „ethische
Verunklarung” durch das Urteil. So hätten die
Karlsruher Richter nicht deutlich genug zwischen aktiver und passiver
Sterbehilfe unterschieden. Dagegen empfand die Evangelische Kirche die
Entscheidung als Stärkung des Patientenwillens. Allerdings
warnte die Kirche vor jeder Lockerung der gesetzlichen Regelungen zur
Tötung auf Verlangen.
Inwieweit die Regelungen zur Patientenverfügung zur Sicherheit
der Patientenrechte beitragen, bliebt abzuwarten.
Artikel eingestellt am 23.07.2010 in der Rubrik Ihr gutes Recht.